Immer noch viele Autofahrer unangeschnallt unterwegs
Viele der Todesfälle, die sich in Deutschland im Straßenverkehr ereignen wären vermeidbar - denn viele der Unfalltoten waren nicht angeschnallt.
ABS, ESP, Airbag und alle weiteren Assistenzsysteme nutzen wenig, wenn sich Autofahrer nicht anschnallen. Der Sicherheitsgurt ist und bleibt der Lebensretter Nummer eins. Rund 200 Verkehrstote und rund 1500 Schwerverletzte ließen sich pro Jahr vermeiden, wenn alle Insassen von Pkws in Deutschland zu jeder Zeit korrekt angeschnallt wären. Das geht aus einer aktuellen Auswertung der Unfallforschung der Versicherer (UDV) hervor.
Danach war fast ein Drittel aller im Straßenverkehr Getöteten nicht oder falsch angeschnallt. Das macht aus Sicht von Siegfried Brockmann, Leiter der UDV, das große Potenzial deutlich, das in diesem Bereich noch liegt: „Mit keiner anderen Einzelmaßnahme lassen sich so viele Verkehrstote vermeiden“, betont der Sicherheitsexperte.
Nach offiziellen Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) kamen im vergangenen Jahr bei Straßenverkehrsunfällen insgesamt 3180 Menschen ums Leben – davon 1434 Fahrer und Mitfahrer von Pkw. Daten der UDV zufolge wurden mit 43 Prozent am häufigsten nicht angeschnallte Autofahrer getötet oder schwer verletzt. Danach folgen in der Statistik nicht gegurtete Rücksitzinsassen mit 36 Prozent und Beifahrer mit 21 Prozent. Mehr als zwei Drittel der Unfallopfer waren männlich, das Durchschnittsalter lag bei 32 Jahren. Rund 98 Prozent aller Pkw-Insassen seien mit angelegtem Gurt unterwegs, berichtet die BASt. Diese Personen haben nach den Erkenntnissen der Forscher die besten Voraussetzungen, einen Unfall, auch einen schweren, weitgehend unversehrt zu überstehen.
Inzwischen sollte die Sicherheitswirkung des Gurtes im Auto eigentlich im Bewusstsein aller Fahrzeugführer fest verankert und keine Nachricht mehr wert. Eingeführt wurde die Gurtpflicht auf den Vordersitzen bereits 1976 – damals noch gegen den Widerstand vieler Autofahrer. Dementsprechend waren in den 1970er Jahren, auch nach Inkrafttreten der Anschnallpflicht, hierzulande noch mehr Kraftfahrer ohne Gurt unterwegs als mit. Dabei stand zu jener Zeit schon außer Frage, dass Fahren mit Gurt sehr viel sicherer ist als ohne.
Daran hat sich bis heute nichts geändert – im Gegenteil. Moderne Gurtsysteme schützen noch besser als in der Anfangszeit und sind zudem erheblich bequemer. So gesehen spricht nichts dagegen, beim Autofahren den Sicherheitsgurt anzulegen. Deshalb wollte die UDV wissen, was Autofahrer immer noch dazu bewegt, sich nicht anzuschnallen. In einer bundesweiten Online-Befragung im vergangenen Jahr darauf angesprochen, zeigten sich insbesondere notorische Gurtverweigerer davon überzeugt, bei innerstädtischen Geschwindigkeiten ausreichend geschützt zu sein. Insgesamt bekannten sich in der Erhebung mehr Männer als Frauen dazu, nicht angeschnallt zu fahren. Dies bilde das reale Unfallgeschehen ab, kommentieren die UDV-Experten. Sie verweisen zudem auf das „interessante“ Ergebnis, dass Fahrer offenbar sehr viel häufiger nicht gegurtet unterwegs sind, wenn sich keine weiteren Insassen im Fahrzeug befinden. Daraus schließen die Unfallforscher, dass weitere Personen im Fahrzeug wohl eine soziale Kontrollfunktion ausüben.
Wenig Sorgen machen sich die Gurtmuffel nach den Erkenntnissen der Unfallforscher über mögliche Strafen: Entsprechende Kontrollen durch die Polizei halten die meisten Befragten demnach für unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund fordert die UDV deutlich mehr polizeiliche Überwachung und höhere Verwarnungsgelder. Zudem soll die Industrie alle Sitzplätze im Auto mit Gurtwarnern ausstatten, die mit Blinklicht und Warnton darauf aufmerksam machen, wenn Insassen nicht angeschnallt sind. Zugleich müsse das Bewusstsein in der Bevölkerung gestärkt werden, dass Kollisionen auch bei niedrigen Geschwindigkeiten ohne Gurt zu schwersten Verletzungen führen können. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft muss daher das Ziel eine 100-prozentige Anschnallquote sein, betont das Goslar Instritut für verbrauchergerechtes Versichern der HUK-Coburg.