Mehr Schutz für Radler und E-Scooter
Mit seinen Empfehlungen hat der 60. Deutsche Verkehrsgerichtstag an den Gesetzgeber appelliert, Radfahrern und E-Scootern mehr Schutz und Sicherheit zu garantieren. Dabei gehen die Vorschläge für einen gesicherteren Radverkehr sehr weit und greifen sogar in die Verkehrswegeplanung ein. Die Nutzer der Elektro-Kleinstfahrzeuge sollen künftig versicherungsrechtlich bessergestellt werden.
So haben die mehr als 1200 Experten kritisiert, dass es für langsam fahrende Kraftfahrzeuge keine Gefährdungshaftung gibt und gefordert, den § 8 Nr. 1 StVG grundlegend zu reformieren. Der generelle gesetzliche Ausschluss der Gefährdungshaftung für langsam fahrende Kraftfahrzeuge sei angesichts der geänderten Verhältnisse im Straßenverkehr nicht mehr zeitgemäß.
Das Gefährdungspotential land- und forstwirtschaftlicher Kraftfahrzeuge sowie von Baufahrzeugen und sonstigen selbstfahrenden Arbeitsmaschinen, die bauartbedingt maximal 20 km/h fahren können, habe aufgrund höherer Geschwindigkeiten der anderen Verkehrsteilnehmer sowie geänderter technischer Ausmaße und Ausstattungen deutlich erhöht. Deshalb ist eine Ausnahme von der Gefährdungshaftung nicht mehr gerechtfertigt.
Das Gefährdungspotential neuer Typen langsam fahrender Kraftfahrzeuge, die bauartbedingt zwischen 6 km/h und 20 km/h fahren können, wie etwa E-Scooter, erscheint insbesondere wegen der erwartbaren Zunahme der Nutzung und der Enge des Verkehrsraums so hoch, dass sie ebenfalls der Gefährdungshaftung unterfallen sollten.
Motorisierte Krankenfahrstühle sollten aufgrund des geringen Gefährdungspotentials und unter sozialpolitischen Gesichtspunkten weiter von der Gefährdungshaftung ausgenommen bleiben.
Mehr Platz für die Bikes
Eine Verbesserung der Sicherheit des Radverkehrs bedinge zwingend eine neue Aufteilung des Verkehrsraumes, unter anderem zugunsten des Fahrrades, und die Schaffung durchgängig sicher befahrbarer Radnetze.
Der Arbeitskreis erwartet, dass die vorhandenen Regelwerke zur Planung und zum Bau von Radverkehrsanlagen als Mindeststandard verbindlich umgesetzt werden. Die Bundesländer werden aufgefordert, eine wirksame Qualitätskontrolle auch hinsichtlich der fehlerverzeihenden und intuitiv nutzbaren Infrastruktur zu entwickeln und zu implementieren. Dies gilt sowohl für den Neubau als auch den Bestand.
Um mehr Spielraum für die Kommunen zu schaffen, wird dem Gesetzgeber empfohlen, die Ziele des StVG und den § 45 Abs. 9 StVO so zu verändern, dass präventive sowie proaktive Maßnahmen und Gestaltungen leichter möglich werden. Zur Unterbindung sicherheitsgefährdenden Verhaltens sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr müssen die personellen Kapazitäten von Ordnungsbehörden und Polizei aufgestockt und die entsprechenden Aktivitäten intensiviert und koordiniert werden.
Der Arbeitskreis stellt fest, dass das Radfahren unter Alkoholeinfluss eine nennenswerte Unfallursache darstellt. Der Bundesgesetzgeber wird erneut aufgefordert, hierfür einen Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand einzuführen und für die rechtliche Zuordnung als Fahrrad Maße und Gewichte insbesondere von Pedelecs, Lastenrädern und Gespannen zu begrenzen.
Weniger Fahrverbote?
Seit Einführung des neuen Bußgeldkataloges kommt es zu mehr Fahrverboten und folglich auch zu mehr Einsprüchen.
Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, einen Regelungskatalog für ein Absehen vom Fahrverbot zu erstellen. Neben Maßnahmen zur Verhaltensänderung sind dabei insbesondere berufliche, familiäre und finanzielle Aspekte zu würdigen. Dies führe zu einer bundeseinheitlichen Gleichbehandlung. Gleichzeitig wird durch die höhere Akzeptanz eine Entlastung der Justiz erreicht.
In geeigneten Fällen soll ein Fahrverbot auch auf Bewährung ermöglicht werden. Der Arbeitskreis hält es für erforderlich, die vorhandenen Widersprüche im Bußgeldkatalog durch eine inhaltliche Überprüfung zu beseitigen und die Rechtsfolgen mehr an den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit auszurichten.
Fast revolutionär: Bisher regelkonformes Verhalten soll bei einem erstmaligen Verkehrsverstoß im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden.
Das geltende System der Doppelkompetenz der Fahreignungsbeurteilung durch das Strafgericht und die Fahrerlaubnisbehörde sollte beibehalten werden. Sieht das Strafgericht von der Entziehung der Fahrerlaubnis ab, weil es den Angeklagten für fahrgeeignet hält, muss es diese Entscheidung nachvollziehbar begründen. Dadurch wird die Bindungswirkung gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde sichergestellt.