Absurd? Tempo 30 soll E-Scooter schützen
Der 58. Verkehrsgerichtstag in Goslar steht an. Dabei wird unter anderem auch diskutiert werden, ob für Autos Tempo 30 gelten soll - damit E-Scooter ungehindert fahren können.
Beim 58. Deutschen Verkehrsgerichtstag werden Experten den Verkehrsteilnehmern ab Mittwoch 29. Januar mal wieder die Leviten lesen und drastische Maßnahmen fordern. Damit E-Scooter ungefährdet fahren können, soll auf manchen Straßen künftig Tempo 30 gelten.
Diese Forderung erhebt Dr. Detlev Lipphard, Referatsleiter Straßenverkehrstechnik beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Seit Juni letzten Jahres hätten E-Scooter den Verkehr in deutschen Innenstädten verändert. Verkehrsregeln seien häufig entweder unzureichend bekannt oder würden bewusst missachtet. Verbotenes Fahren auf Gehwegen, Missachtung der Ampeln, Fehler beim Abbiegen, Ablenkung und sogar Trunkenheit führen zu Unfällen. Exakte Zahlen existieren bisher nicht, da Scooter-Unfälle in der deutschen Unfallstatistik noch nicht separat erfasst werden.
Der Referent kritisiert auch die zu kleinen Rollen der Scooter. Kanten, Schienen, unebene Fahrbahnbeläge und Schlaglöcher seien Herausforderungen an Mensch und Material. Überall dort, wo vorhandene Radwege ohnehin zu eng sind, verstärken E-Scooter die Probleme der sicheren Verkehrsführung. Lipphard: „Durch die E-Scooter wird diese Problematik noch verstärkt. Wo die Gesamtbreite für eine separate Führung auf Radwegen, Radfahr- oder Schutzstreifen nicht ausreicht, müssen E-Scooter die Fahrbahn benutzen. Auf diesen Straßen sollte aus Gründen der Verkehrssicherheit Tempo 30 angeordnet werden können.“ Sieben weitere Forderungen sollen zur Diskussion gestellt werden.
Kritik kommt im Arbeitskreis V auch von den Kfz-Versicherern. Sie fordern Scooter mit Blinkern und Rädern mit 25,4 cm Durchmesser, sowie eine Zulassung und Versicherung: „E-Scooter sind keine Spielzeuge, sondern Kraftfahrzeuge“. Demzufolge gelten auch ein Alkohol- und Drogenverbot und das Fahren zu zweit sei verboten, weshalb stärker kontrolliert werden müsse.
Allerdings räumt die Assekuranz auch ein, dass es berechtigte Zweifel an der Notwendigkeit dieser modischen Verkehrsmittel gibt: „Eine sinnvolle Funktion im Mobilitätsmix erfüllen E-Scooter zudem nur dann, wenn sie überwiegend für die „letzte Meile“ zwischen Bus- oder Bahnhaltestelle und dem eigentlichen Ziel genutzt werden. Ob die neuen Fahrzeuge dafür geeignet sind und Akzeptanz finden, wird sich erst zeigen, wenn mehr private Haushalte über E-Scooter verfügen. Die Fahrzeuge der Scooter-Verleiher scheinen ausweislich der öffentlich verfügbaren Daten hingegen überwiegend von Touristen genutzt zu werden, die damit ihre Fußwege verkürzen.“
Heftige Diskussionen werden auch im Arbeitskreis III erwartet, der sich der „Aggressivität im Straßenverkehr“ widmet. Kernthemen sind Illegale Autorennen, Alleinraser, Prävention und Repression. Zu welchem Empfehlungen dieses Gremium letztlich kommen wird, bleibt spannend, nicht zuletzt auch wegen der aktuellen Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen. Dr. Hardy Holte von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wird in seinem Referat darauf verweisen, dass es bis dato keine objektiven Indikatoren gibt, die die Thesen für die Zunahme von Aggressionen im Straßenverkehr oder Verschlechterung des Verkehrsklimas stützen können. Die ständige Beobachtung durch die BASt zeige, dass das für ganz Deutschland das Verkehrsklima weder besonders positiv noch besonders negativ beurteilt wird. Allerdings könne es regional unterschiedliche Effekte geben, die nun genauer untersucht werden sollen.
Zitiert wird in diesem Zusammenhang gerne die letzte Allensbach-Umfrage, die der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) in Auftrag gegeben hatte. Demnach beklagten 90 Prozent der befragten 30- bis 59-Jährigen eine zunehmende Aggressivität im Straßenverkehr. Ist diese hohe Prozentzahl allein auf das subjektive Empfinden der Befragten zurückzuführen? Ist aggressives Verhalten wie Drängeln, Ausbremsen, dichtes Auffahren und wilde Raserei tatsächlich objektiv messbar? Prägen Rücksichtslosigkeit, Intoleranz, Ungeduld, Zeitmangel und Egoismus zunehmend unseren Straßenverkehr? Die Thematik soll ausgeleuchtet und psychologische, juristische und infrastrukturelle Ansätze diskutiert werden, die einem entspannten Verkehrsklima förderlich sein können.
Eröffnet wird der Verkehrsgerichtstag am Mittwoch um 10 Uhr in der Kaiserpfalz von seinem Präsidenten, Prof. Dr. Ansgar Staudinger, der an der Universität Bielefeld Bürgerliches Recht, internationales Privat-, Verfahrens- und Wirtschaftsrecht lehrt. Die Veranstaltung wird Live unter www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de übertragen.