T7 Multivan im Praxistest: Von der Wiedergeburt des Van
Der neue Multivan, auch bekannt unter dem Namen T7, ist einer von mittlerweile drei Bullis, die Volkswagen Nutzfahrzeuge parallel baut. Auto-Medienportal hat den Multivan 2,0 l TDI einem ausführlichen Praxistest unterzogen.
Als Reflex auf das Aufleuchten von Displays und Bildschirmen beim Start sucht der geübte Elektroautofahrer unwillkürlich nach der Angabe für die Reichweite: 830 km. Spontane Erleichterung flammt auf. Eine Reise ganz ohne Pflichtpausen steht uns bevor. Dann die Ernüchterung: Wir sitzen ja in einem Diesel, in einem Volkswagen Multivan mit dem bekannten Zwei-Liter-Selbstzünder. Nach dem Druck auf den Startknopf und bis zu 2000 Umdrehungen pro Minute (U/min) schnurrt der zwar wie eine Elektrokätzchen. Aber es bleibt ein Diesel: Vielleicht schon der letzte seiner Art?
Sowieso überkommt uns in diesen Wochen jedes Mal, wenn wir uns ein nagelneues Modell erobern, die Frage: Ist das jetzt das Ende der Fahnenstange? Oder erleben wir in den Jahren bis 2035 noch spürbare Fortschritte bei der Entwicklung der Verbrennungsmotoren? Und wenn ja, kommen die aus Deutschland oder aus Fernost, wo die Chinesen gerade mit dem ihnen eigenen Eifer am Verbrenner der Zukunft arbeiten?
75 Jahre lang hat sich der Lasten-Volkswagen als Transporter oder Bus den liebevoll gemeinten Kosenamen „Bulli“ erworben. Dieser Name und die Gattungsbezeichnung Bus werden wohl auch Pate gestanden haben für den Namen „Buzz“ des elektrischen Bulli-Nachfolgers, dessen Reichweitenversprechen allerdings noch lange nicht das Niveau des aktuellen Bullis erreichen werden. Doch eines muss man dem Buzz lassen: Er ist ein echter Hingucker.
Die Blicke auf sich ziehen kann allerdings auch unser Multivan. Es ist weniger die elegante Form der Baureihe Typ 7 mit dem kräftigen Akzent einer Motorhaube für den Quermotor in der Van-Front mit weit nach vorn gezogener A-Säule und entsprechend flach stehender Windschutzscheibe und der mit schmalen Scheinwerfern und Chromspangen betonten Breite. In diesem Fall ist es die zweifarbige Lackierung.
Auch deren Wirkung kennt der Bulli-Fan schon seit dem „Samba-Express“ aus den 1950er Jahren: unten kräftig rot und oben weiß mit Elfenbein-Einschlag. Besonders bei den männlichen Verkehrsteilnehmern und erst recht bei den Bulli-Fahrern mit ihren so oft schwarzen Kutschen kann es unser Multivan mit dem Samba-Express aufnehmen. Auch hier schafft die Farbkombination Aufmerksamkeit. Die Namen klingen harmloser als die Farben wirken: Medium Blue Metallic und Candy‐Weiß. Anders als üblich umhüllt das strahlende Weiß den unteren Teil der Karosse und wird getoppt von dem ebenfalls leuchtenden Sommerhimmel-Blau.
Die dunklere Farbe drückt den Multivan. Er wirkt noch flacher als die um 40 Millimeter zurückgenommene Höhe und der weit ausladende Heckspoiler nahelegen sollen. Der Multivan ist weniger die er wohnliche Version eines Busses in den Formen einer Transporterkiste. Er wirkt wie die Materialisierung der Wiederbelebung des eigentlich fast schon ausgestorbenen Vans. Der Name passt beim 7er also besser als beim Typ 6.1.
Das Design bleibt mit der geringeren Höhe auch technisch nicht ohne Folgen. So sank der Luftwiderstandsbeiwert von 0,35 auf 0,30, was die CO2-Emissionen mit einem Schlag um 28 Gramm CO2 pro Kilometer senkt. Dafür müssen große Menschen nun beim Einsteigen den Kopf einziehen.
Einmal auf dem Fahrersitz angekommen und mit dem Startknopf den Diesel und die Displays vor dem Fahrer aufgeweckt, bleibt nur eine kurze Sekunde Zeit, um sich der Zahl 830 zu widmen. Dann ziehen die Display, Screen, Schiebeschalter, Lenkradtaster die Aufmerksamkeit auf sich, bevor dann beeindrucken die vielen Menüs, die sich unter der Oberfläche des Screen verbergen. Jeder Typ 7-Käufer wird sich damit solange befassen müssen, bevor er sich fehlerlos durch die Ebenen der Bedienung bewegen kann. Nun sind die Bedienwege bei den neuen VW-Modellen ähnlich, da fällt der Wechsel auch auf den modernsten Bulli nicht so schwer.
So schlecht war die nun abgeschaffte Bedienphilosophie bei den Vorgängermodellen aber nicht. Wer sein Auto kennt, kann den Regler finden, ohne den Blick vom Verkehr abzuwenden. Schalter, Taster, Schieberegeler meldeten genau, ob der Fahrer etwas erfolgreich eingestellt hatte. Jetzt drängt sich eher der Eindruck auf, bei all der berührungslosen, der Sprachen- und der Gestensteuerung plus dem Einstieg in die Tiefen der Software bleiben die vielen Kommandos nur deswegen so oft folgenlos für die Verkehrssicherheit, weil die Assistenten das Auto automatisch in der Spur und auf Abstand zum Vordermann halten.
Bis zu 20 Assistenten hat der Multivan heute an Bord: Das Umfeld-Beobachtungssystem mit City-Notbremsfunktion, Ausweichunterstützung mit Abbiegeassistent, Verkehrszeichenerkennung und der schon gelobte Spurhalteassistent. Der „IQ Drive“- Travelassist ermöglicht teilautomatisiertes Fahren bis zur Höchstgeschwindigkeit.
Die Möglichkeit, auch bei Autobahn-Geschwindigkeiten lange Strecken mit dem Travel Assist stressarm bewältigen zu können, schaffen Sicherheit und Komfort, so dass die maximal sechs Personen auf vielfach verstell-, verschiebbaren und ausbaubaren Einzelsitzen gut aufgehoben sind. So lässt sich’s bequem reisen, mit genau der richtigen Zahl an Sitzen, Raum fürs Gepäck, guter Klimatisierung und Beschallung durchs Bordorchester und fast unter freiem Himmel, denn in unserem Exemplar sorgten große Panorama-Glasdächer für Helligkeit.
Fazit: Der Zwang zu weniger Kohlendioxoidausstoß hat der Nutzwagensparte von Volkswagen eine neue Fahrzeugattung beschert: Einen attraktiven Van mit der gewohnt hohen Qualitätsanmutung und einer durch den niedrigeren Schwerpunkt sogar verbesserten Straßenlage. Der bekannte, bewährte Diesel und das Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe tragen ihren Teil zur schnellen, in jeder Beziehung problemlosen Fahrt bei. Der Mulitvan kann so tatsächlich zur Wiedergeburt einer ganzen Fahrzeugfamilie beitragen. So ein Van bietet sich als VIP-Shuttle an. Er hat aber noch mehr das Zeug dazu, Streit zwischen den Generationen um den Zündschlüssel auszulösen.
Multivan Life 2,0 l 110 kW TDI Life:
Länge x Breite x Höhe (m): 4,97 x 1,94 x 1,90
Radstand (m): 3.12
Antrieb: Vierzylinder 2.0l TDI mit Sieben-Gang-DSG
Leistung: 150 kW / 204 PS
Max. Drehmoment: 360 Nm von 1600 – 2750 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 11,6 Sek.
NEFZ-Durchschnittsverbrauch: 5.3 Liter Diesel
Praxisverbrauch: 7,5 km
Luftwiderstandsbeiwert: 0,30
Leergewicht: 1862 kg–2063 kg
Kofferraumvolumen: 469–4053 Liter
Wendekreis: 12,1 m
Basispreis: 53.000 Euro
Testwagenpreis: 76.277 Euro