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Vier Wochen auf vier Reifen

Eine Isenbügelerin brach nach ihrem Abitur mit zwei Freunden auf eine abenteuerliche Reise durch Skandinavien auf. Das Abi in der Tasche, die Zukunft voller Möglichkeiten und sehr viel Zeit – das ist jährlich im Juli die Ausgangssituation für hunderttausende von Abiturienten. Die meisten stopfen das Loch zwischen Schule und Studium oder Ausbildung mit Praktika oder einem entspannten Urlaub. Was nun die 18-jährige Isenbügelerin Inga Schippan gemeinsam mit zwei Freunden in dieser Zeit unternommen hat, ist aber eher ungewöhnlich.

 ©H. W. Rieck

Es ist September 2011. Dem 18-jährigen Matthias Poerting aus Essen-Kettwig kommt erst mal eine Schnapsidee: mit einem alten VW-Bus durch ganz Europa reisen. Er erzählt seinem Schulkameraden Marco Geiger von der Idee, und der damals 17-jährige Breitscheider springt sofort auf den Zug auf. Als sie dann noch Inga Schippan fragen, ist für diese Sache klar: „Ja, bin ich dabei!“

Der alte Bus wird ordentlich aufgepeppt

Was erst eine Traumvorstellung ist, nimmt bald Gestalt an. Fast ein Jahr später wird die Sache ernst, und die Oberstufenschüler gehen es an: Mit Unterstützung der Eltern kaufen sie einen alten VW T3, Jahrgang 1985, und peppen ihn ordentlich auf. Neue Boxen, neue Vorhänge, eine tagelange Reinigung und weitere Verbesserungen werden an dem alten Bus vorgenommen und machen ihn erst bewohnbar, dann sogar gemütlich.

Nach bestandenem (und teilweise herausragendem) Abitur geht es für die drei Freunde auch schon los – und zwar für einen ganzen Monat. Heiligenhaus verabschiedet sich von den Weltenbummlern mit Tränen in den Augen, es regnet wie aus Eimern als „Memi“ (so wird der Bus getauft) an einem Sonntagmorgen gen Norden aufbricht. Denn da vier Wochen für ganz Europa nicht genug sind, wird die Reise auf Skandinavien beschränkt. Eine feste Route gibt es dabei nicht, dafür aber schon ab dem ersten Kilometer beste Laune.

Schon in der ersten Woche geht der Keilriemen kaputt

Diese zerstört auch die erste Panne nicht, denn dass die Reise kein Zuckerschlecken wird, ist von Anfang an klar. „Memi“ ist schon lange ein Sorgenkind: Ein klappernder Auspuff, eine defekte Lichtmaschine, abgefahrene Reifen. . . kurz: Dass bereits in der ersten Woche der Keilriemen kaputt ist, überrascht niemanden wirklich, schließlich ist der Wagen alt und das Risiko auf halber Strecke liegen zu bleiben den mutigen Abenteurern stets bewusst. Das Problem ist aber auch schnell wieder behoben, und so können die Abenteurer ihren ersten längeren Zwischenstopp genießen: beim Kitesurf-Worldcup in St. Peter-Ording. Beeindruckt von den waghalsigen Sportlern an der Nordsee, sehen die Abiturienten bereits ihrem nächsten Ziel entgegen: Kopenhagen.

Begleitet werden sie fast durchgehend – zumindest musikalisch – von Udo Jürgens, etwas zum Leidwesen der anwesenden Dame. „Aber das ist schon kein Problem mit den beiden“, sagt Inga Schippan mit einem Lächeln auf den Lippen, „das sind nicht so die typischen Jungs“. Die Herren der Schöpfung wechseln daraufhin einen leicht verwirrten Blick, stimmen aber zu, dass sie sich die ganze Zeit sehr gut verstanden haben. „Wir diskutieren manchmal nur etwas intensiv“, sagt die Isenbügelerin und lacht. Ein Thema ist dabei zum Beispiel die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts.

Gespart wird an anderen Ecken

Heiter geht’s weiter“, wie die drei Entdecker sagen würden, nämlich nach Stockholm. Hunderte von Kilometern sind bereits zurückgelegt, und das bei einer Höchstgeschwindigkeit von gerade mal 80 km/h. Je nördlicher es geht, desto höher werden auch die Spritpreise. 1,90 € für den Liter Diesel tun weh, „aber die Kohle muss raus“, sagt Matthias Poerting mit einer gesunden Prise Galgenhumor. Man spare dafür ja bereits an anderen Ecken.

Denn ein Luxustrip ist diese Reise wahrlich nicht. Schlafen, Essen, Wohnen, alles auf engstem Raum im Bus, jede Nacht auf einem anderen Campingplatz, selbst kochen. Etwas anderes wollten die jungen Erwachsenen aber auch nicht. „Wir wollten mal komplett auf uns allein gestellt sein“, erklärt Marco Geiger ihr Ziel, und das haben sie mit Bravour gemeistert. Etwas Besonderes sollte es werden, und das wird es auch.

Der Höhepunkt: die Fjorde in Norwegen

Den Höhepunkt der Tour stellen die norwegischen Fjorde dar. Nachdem Inga Schippan und ihre beiden Gefährten die Hauptstädte Schwedens, Norwegens und Dänemarks mit großartigen Erinnerungen hinter sich gelassen haben, sind die riesigen Gletscher, die faszinierenden Landschaften, die unendlichen Weiten Norwegens das Schönste, was die drei auf der Reise sehen. Etwa eine Woche fahren sie durch das scheinbare „Nichts“ und sammeln atemberaubende Eindrücke. Dass der Bus sie derweilen nicht irgendwo in der Einöde im Stich lässt, gleicht einem Wunder.

Auf dem Rückweg wird noch ein letzter Halt in Hamburg gemacht. Unglaublich, wie schnell die Zeit vorbeigeflogen ist. Alle drei sind sich einig: „Wir würden das jederzeit noch mal machen.“

Nach fast 5500 Kilometern zu Hause angekommen, erwartet nun jeden von ihnen ein eigener Weg, der in einem Fall zum Studium in die Niederlande führt. Doch trotz der räumlichen Entfernung wird sie eins noch lange verbinden: eine enge Freundschaft.
 

(mit freundlicher Erlaubnis der "WAZ", Heiligenhaus)

Dina Zwitkis